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Hintergrund: Free-2-Play - Ist Geiz geil?

23.03.2012

Teil drei unserer Hintergrundreportagereihe zu neuen Ideen für die Vermarktung von Rennspielen beschäftigt sich mit dem Phänomen Free-to-Play und diskutiert die spannende Frage, ob es in Zukunft tatsächlich alles for free geben kann.

Hintergrund: Free-2-Play - Ist Geiz geil?Hintergrund: Free-2-Play - Ist Geiz geil?  Zoom Im dritten Teil unserer Reportagereihe widmen wir uns der spannenden Frage, wieso manche Games, die für 60 Euro im Regal der Elektronikmärkte landen, weniger Gewinn abwerfen als Spiele die sich en masse kostenlos im Netz tummeln. Free-to-Play scheint das neue Zauberwort der Gamesbranche zu lauten. Während anderswo altehrwürdige Studios geschlossen werden, weil ihre Games zu selten über die Ladentheke gehen, surfen Anbieter von F2P-basierten Games, wie Bigpoint oder das Facebook-Schwergewicht Zynga, auf einer Erfolgswelle aus grünen Dollarscheinen.

Dazu ein paar kleine Beispielzahlen: Das Rennspiel Blur, welches im Mai 2010 auf den Markt kam, verkaufte laut vgchartz.com insgesamt knapp eine Million Einheiten. Auch das darauf folgende Projekt des Studios, das Lizenzspiel James Bond 007 Blood Stone, schaffte in etwa diese Größenordnung, sodass man sagen kann Bizarre Creations hat in 2010 fast 2 Milionen Spiele verkauft. Eigentlich keine schlechte Zahl, aber anscheinend zu schlecht für Publisher Activision und schon kurze Zeit später war das Traditionsstudio dicht.

Auf der anderen Seite sonnen sich Deutschlands größter Hersteller Bigpoint mit einem Jahresumsatz von fast 100 Millionen Euro und Branchenprimus Zynga, der rund 850 Millionen US-Dollar im Jahr umsetzt, im Erfolg. Bigpoint hat es inzwischen auf 800 Mitarbeiter und Büros auf der ganzen Welt gebracht; Zynga fuhr im vergangenen Geschäftsjahr dagegen einen Verlust von satten 404 Millionen US-Dollar ein. Allerdings nur, weil das Unternehmen an die Börse gegangen ist und dabei einen Teil der Aktien im Wert von rund 500 Millionen US-Dollar an seine eigenen Mitarbeiter ausgegeben hat.

Genial einfach - einfach genial?

Offensichtlich kann man mit Games auch dann jede Menge Geld verdienen, wenn man das Spiel selbst gratis anbietet. Ist ja auch durchaus nachvollziehbar, denn ein Produkt das kostenlos im Netz verteilt wird erhält eigentlich schon zwangsläufig eine ganze Menge Zulauf. Und wenn man sich dann anschaut zu welchen Beträgen so manch virtueller Gegenstand aus Worlf of Warcraft bei Ebay über die imaginäre Ladentheke geht, dann besteht wohl auch kein Zweifel mehr daran, dass es durchaus Spieler gibt die bereit sind für In-game-Items zu bezahlen. Den altmodischen Gamer dürfte es aber überraschen, dass es so viele sind.

Und das wirft auch ein mehrlagiges philosophisches Dilemma auf: Zum einen stellt sich die Frage nach der Fairness: Wo genau verläuft eigentlich die Grenze, zwischen Extras kaufen und einen Cheatcode eingeben oder einen Trainer oder Speicherstand aus dem Internet zu laden? Beides verschafft einem unterm Strich einen Leistungsvorteil, den ich mir de facto nicht erspielt habe. Und das bringt mich zur zweiten Zwickmühle, denn ist es nicht genau das, worum es beim Gamen geht? Selbst erspielen, selber erleben und im Zweifel dann eben auch selbst verlieren? Geht diese Art der Kommerzialisierung nicht einen Schritt weiter als das bloße Verkaufen zusätzlicher Inhalte und geht dadurch nicht ein Stück Echtheit des Spielgefühls verloren?

Und noch einen Gedanken möchte ich anschließen und zur Diskussion stellen: Bei einem herkömmlichen Vollpreisspiel zahle ich meine 60 Euro und erwarte dafür eine gewisse Spielzeit, bei Shootern waren das in den 90er-Jahren mal gut und gerne 20 Stunden plus X, heute sind es in aller Regel deutlich unter 10 Stunden. Bei einem Free-to-Play-Game bekommt man dagegen von Beginn an quasi eine unbegrenzte Spieldauer frei Haus und zahlt dann dafür, um das Spiel auf irgendeine Weise schneller also kürzer zu machen - irgendwie paradox oder?

Endlich gesellschaftsfähig

Auch wenn das Gros der Free-to-Play-basierten Games immer noch in sozialen Netzwerken oder im Casusal-Sektor angesiedelt ist, haben auch längst die alten Größen der Gamesbranche den Trend erkannt. Bestes Beispiel dafür ist Need for Speed World Online mit dem EA schon seit Sommer 2010 das Potenzial für weniger Casusal-lastige Free-to-Play-Games austestet, auch wenn hier viel altes Konzerngut von NFS Most Wanted bis Undercover wiederverwertet weird und das Spiel somit technisch wie spielerisch einen respektvollen Abstand zu seinen aktuelleren Vollpreis-Markenbrüdern einhält.

Genau diesen Respektsabstand zu egalisieren ist das Ziel von Eutechnyx und ihrem aktuellen Projekt Auto Club Revolution. Die Macher versprechen ein voll ausgereiftes Rennspiel auf dem Niveau aktueller AAA-Konsolenspiele und das zum Nulltarif. Dafür muss nicht nur aktuelle Technologie herhalten, die Eutechnyx im Laufe dieser Hardware-Generation schon auf der PS3 mit Spielen wie Absolute Supercars oder NASCAR The Game 2011 ausgetestet hat, sondern auch jede Menge Lizenzen für Autos, Strecken und Tuning-Teile.

Aktuelle Wechselkurse

Zu jedem Free-To-Play-Game gehört auch unausweichlich ein Mikrotransaktionsmechanismus. Irgendwie muss der Hersteller ja schließlich doch seine Auslagen wieder hereinbekommen. Sitte oder vielmehr Unsitte ist es dabei, dass jedes Spiel auf seine eigene virtuelle Währung setzt. Das tun die Hersteller allerdings weniger, weil es derzeit um die europäische Währungsunion so schlecht bestellt ist, Euro sehen die CEOs nach wie vor gerne, sondern vielmehr als Verschleierungstaktik. Der Kunde hat jedenfalls keinen Nutzen wenn reales Geld in virtuelles umgerechnet wird. Dadurch wird es in der Regel unübersichtlicher den gebotenen Gegenwert für die virtuellen Güter zu überblicken und einen Rücktausch von der virtuellen Währung in echte Euro ist in der Regel auch nicht möglich.

Bemühen wir doch wieder unseren Rechenschieber, um etwas Licht ins Zahlengewirr zu bringen. Die virtuelle Währung in NFS World Online heißt SpeedBoost und wird in verschiedenen Paketgrößen angeboten. Das kleinste Paket kostet bei EA 5 Euro und entspricht 1.500 Einheiten in SpeedBoost. Das größte Paket kostet schlappe 100 Euro und enthält ganze 50.000 SpeedBoost-Punkte, was einem Mengenrabatt von immerhin 40 Prozent entspricht. Schön und gut, werdet ihr jetzt sagen, aber was bekommt man denn dafür?

Mischfinanzierung

Die Wagen in NFS World Online kosten beispielsweise zwischen 500 und 5.000 SpeedBoost-Punkte, vereinzelt auch bis zu 10.000-Punkte, wie aktuell ein Pagani Zonda F. Rechnen wir das wieder in Euro um sind 10.000, selbst wenn wir das vorteilhafte, größte SpeedBoost-Paket zu Grunde legen, ganze 20 Euro. Nun kann man der Meinung sein, dass 10 oder vereinzelt gar 20 Euro für einzelne Autos sehr viel, vielleicht zu viel Geld sind. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass durch die Einnahmen der Mikrotransaktionen auch der kostenlose Teil des Spiels mitfinanziert wird.

Alternativ dazu kann man Wagen in NFS World übrigens auch nur mieten, was bei den günstigsten Modellen, wie einem Corolla, unter 100 SpeedBoost möglich ist. Neben Autos kann man sein Geld natürlich auch in Tuning-Teile und Power-Ups investieren. Power-Ups gibt es in 15fach-Paketen zu je 100 Punkten und 10 Tage Beischlaf mit einem 2x-Multiplikator kosten 500 SpeedBoost-Punkte. Von derartigen Feinheiten ist Auto Club Revolution gegenwärtig noch ein gutes Stück entfernt. Just in den kommenden Tagen soll der Sprung von der geschlossenen in die offene Beta-Phase geschafft und das Spiel damit jedermann zugänglich gemacht werden. Die Mikrotransaktionswährung in ACR heißt E-Bucks, war aber zumindest im bisherigen geschlossenen Beta-Betrieb noch deaktiviert, weswegen wir leider keinerlei Erkenntnisse zur Preisgestaltung besitzen.

Fluch oder Segen?

Was sollen wir als Rennspielverrücke nun vom Free-to-Play-Prinzip halten? Fakt ist, man kann sie kostenlos zocken. Fakt ist auch, man kann trotzdem eine ganze Menge Geld ausgeben, wenn man eifrig den Mikrotransaktionen frönt. Somit scheint sich das Geschäft mit den Gratis-Games für die Hersteller inzwischen in aller Regel zu lohnen, wie die Beispiele Bigpoint und Zynga eingangs des Artikels gezeigt haben. Bleibt die Frage, und die geht natürlich wieder an euch, ob das Prinzip auch im Core-Gaming seine Berechtigung hat? Können Free-to-Play-Games wirklich mit der Qualität von AAA-Projekten mithalten und damit auch höchsten Ansprüchen genügen und wenn ja, wie hoch ist denn dann unterm Strich tatsächlich der Preis dafür?


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