Die letztjährige WRC-Episode konnte sich als erfolgreiche Mischung aus dem Realismus eines Colin McRae oder Richard Burns Rally und leichtzugänglichem Spielspaß behaupten. WRC 4 bot die gewohnten Stärken der Serie, wie etwa die detaillierte Grafik und die umfangreiche Unterstützung durch die offizielle FIA WRC-Lizenz und könnte darüber hinaus endlich mit dem lange erwarteten Online-Modus aufwarten.
Dennoch hätte sich so mancher Spieler etwas mehr Realismus gewünscht, vor allem in Sachen Schadensmodell. Grund genug die aktuelle Version WRC Rally Evolved gründlich auf Neuerungen und Verbesserungen zu testen.
Voll beladen
In bester Tradition seiner Vorgänger rollt auch WRC Rally Evolved wieder mit einem dicken Lizenzpaket mit allen wichtigen Daten der FIA World Rally Championship an den Start. Dieses beinhaltet natürlich alle offiziellen Wagen und Fahrer, sowie WM-Läufe der aktuellen WRC- und Super 1600-Saison 2005 plus sehr schön in Szene gesetzter Menüs dank eingestreuter Videoschnipsel und Hintergrundfakten zu Fahrern, Wagen und Strecken. Außerdem gibt es auch dieses Jahr wieder die bekannten Extreme-Wagen. So weit, so gut - und alt bekannt. Darüber hinaus enthält das Lizenzpaket dieses Jahr aber noch einige Extras in Form von drei zusätzlichen Fahrzeugkategorien.
Unter dem Menüpunkt Amateur befinden sich WRC-Boliden die von Privat-Teams in der WM eingesetzt werden. Dabei handelt es sich eigentlich nur um andere Lackierungen für die ohnehin schon enthaltenen Werks-WRC-Wagen, wobei es mit dem guten alten 206WRC eine positive Ausnahme gibt. Blöderweise stehen diese Fahrzeuge nur für Einzelrallyes, nicht aber für die Meisterschaft zur Verfügung, was im Falle des immer noch überlegenen 206 doppelt tragisch ist. Neben diesen gibt es dann noch zusätzliche Konzeptwagen, welche die nahe Zukunft der WRC, zum Beispiel in Form des nächstjährigen Ford Focus, darstellen. Last but not least verfügt auch WRC endlich über die Turbomonster der Gruppe B WM vom Schlage eines Audi Sport quattro.
Umstrukturierung
Diesen Rallye-Klassikern wurde auch gleich ein eigener Spielmodus spendiert, die so genannte Oldtimer-Herausforderung. Dabei gilt es relativ kurze Abschnitte in einem bestimmten Zeitfenster zu absolvieren. Als Belohnung dürft ihr die Oldtimer dann im Einzelrennmodus benutzen. Neben der Oldtimer-Herausforderung findet sich noch ein neuer Modus im Menü von WRC Rally Evolved, der Rallyecross-Modus. Wer den realen Sport kennt, weiß schon worum es geht. Beim Rallyecross sind vier Wagen gleichzeitig auf der Strecke und können sich auch berühren. Außerdem besteht die Strecke nicht aus einer Etappe sondern aus Rundkursen. Rallyecross ist eine willkommene Abwechslung für all diejenigen, die nach ewigen Saisons allein auf der Strecke und nur im Kampf gegen die Zeit auch gerne mal ein wenig Zweikampfaction haben möchten.
Im Gegenzug gibt es aber auch Verluste zu vermelden. Die Events und der Karrieremodus sind dem Rotstift zum Opfer gefallen, was zwar schade aber nicht wirklich schlimm ist, denn Abwechslung bietet WRC mehr als genug mit seinen 16 Rallyeländern die sich auf alle Klima- und Zeitzonen verteilen. Ein weiterer Wermutstropfen ist aber, dass jedes der 16 Länder nur über 3 Etappen verfügt. Im Vorgänger konnte man diese wenigstens noch rückwärts durchfahren, aber selbst das ist nicht mehr möglich, weshalb man immer das Gefühl hat, dass die einzelnen Rallyes viel zu schnell zu Ende gehen.
Erwarte das Unerwartete
Zoom Das unumstrittene Highlight des diesjährigen WRC ist aber ganz sicher die gestiegene Interaktivität. Nachgebende Fangzäune und Streckenrandobjekte gehören ja bei heutigen Rallyespielen schon zum guten Ton. Das neue WRC geht hier aber noch zwei Schritte weiter. Der erste Schritt betrifft die Zuschauer, die nicht nur jubelnd und fotografierend am Streckenrand stehen, sondern auch bei Seite springen, wenn ihr, natürlich ganz ungewollt, in sie rein rast. Bei dem zweiten geht es um Hindernisse der ganz besonderen Art. Denn ein neues Feature sorgt für unregelmäßige Zwischenfälle auf der Strecke.
Dabei kann es sich zum einen um liegen gebliebene Kontrahenten handeln und nicht selten kann man die Besatzung des Fahrzeugs sichtlich erregt am Straßenrand diskutieren sehen, während man mit 150 Sachen an ihnen vorbeirauscht. In solchen Situationen ist natürlich besondere Konzentration gefragt, da man ansonsten ganz schnell im selben Graben landet. Aber andere Rallyeteilnehmer sind nicht die einzigen Gefahren auf so einer Etappe. Oft rennen Tiere über die Straße, stürzen sich euch Felsbrocken in den Weg oder vernebeln euch sogar brennende Häuser total die Sicht. Auch wenn letzteres wohl ziemlich unrealistisch erscheint, das Prinzip der Zufallsereignisse ist genial, denn sie machen das Spiel noch realistischer und herausfordernder. Zusätzlich erhöhen sie den Wiederspielwert enorm, da kein Rennen wie das andere abläuft.
Englisch topp!, Deutsch na ja
Das Schöne dabei ist, dass euer Beifahrer auch entsprechend dynamisch auf die plötzlichen Hindernisse reagiert und sich meistens vor lauter Angst die Seele aus dem Leib schreit. Umgekehrt begegnet er dahin scheidenden Konkurrenten mit reichlich Spott. Das System ist ein weiterer Schritt zur vollkommenen Interaktivität, weist aber noch einige Kinderkrankheiten auf. Wie generell allen Ansagen, mangelt es auch den Kommentaren öfters am exakten Timing. Zwar kann man das nach eigenem Bedürfnis umstellen, da sie aber sowohl zu früh als auch zu spät kommen, bringt das wenig. Darüber hinaus kann die Qualität der deutschen Beifahrerstimme nicht mit dem englischen Original mithalten. Sie wirkt meistens aufgesetzt und viele der Kommentare sind schlecht übersetzt, sodass sie im Deutschen schlichtweg zu lang sind.
Der Rest des Sounds kann trotz kleinerer Schönheitsfehler überzeugen. Die Motorensounds und Spezialeffekte klingen alle satt und ausreichend unterschiedlich. Okay, wenn der Auspuff Flammen sprüht, knallt es so dermaßen, dass man denkt der ganze Motor wäre explodiert, aber daran gewöhnt man sich. Viel ärgerlicher ist hingegen, dass es immer noch keine Surround Sound-Unterstützung gibt. Dieser Kritikpunkt wird so langsam zur Tradition. Immerhin gibt es dieses Jahr eine Hand voll lizenzierter Songs von Acts wie Kasabien und The Subways mit denen die Replays stimmungsvoll untermalt werden.
Fahrverhalten verschärft
Zoom Wer die letzten WRC-Teile kennt, wird sich bei weiterentwickelten Fahrverhalten etwas umstellen müssen. Denn es ist spürbar kniffliger geworden, die Wagen auf Kurs zu halten. WRC Rally Evolved verlangt nach viel mehr Gefühl in der Lenkung, aber auch im Gas- beziehungsweise Bremsfuß. Die Wagen reagieren sensibler und sind deutlich anfälliger für Untersteuern. Wer permanent nur auf der Bremse steht und dabei versucht einzulenken, wird gnadenlos zum Kurvenaußenrand rutschen. Im Gegenzug dazu will das Übersteuern am Kurvenausgang feinfühlig abgefangen werden. Wer wie in WRC 4 einfach nur irgendwie gegenlenkt, wird mit heftigem Gegenpendeln zu kämpfen haben. Auf das richtige Maß kommt es an.
Damit alle Neueinsteiger damit nicht total überfordert werden, bietet das Spiel im Meisterschaftsmodus drei verschiedene Schwierigkeitsgrade und zusätzlich drei stufenlos einstellbare Fahrhilfen. Während die Traktionskontrolle realistisch zu Werke geht, fahren die Lenk- und Bremshilfe den Boliden nahezu alleine.
Optik vom Feinsten
Die Grafik war schon immer eine besondere Stärke der WRC-Reihe und die Evolution Studios haben es in den vergangenen Jahren immer wieder fertig gebracht noch etwas mehr aus der PS2 herauszukitzeln. Das ist auch in diesem Jahr der Fall. Der WRC-Jahrgang 2005 serviert neben den schön in Szene gesetzten Zufallsevents und dem volldynamischen Publikum vor allem viele kleine grafische Details wie umher wedelnde Blätter bei Walddurchfahrten, zerplatschende Regentropfen auf dem Wagen und so weiter und so weiter. Die großen Bereiche der Optik, also Wagen und Strecken, sehen genauso gut aus wie im Vorgänger, aber auch nicht wirklich besser. Neu hinzugekommen sind dafür ein Geschwindigkeits-Effekt der dafür sorgt, dass bei Topspeeds die Kamera anfängt zu wackeln, was es besonders zu Beginn wirklich schwierig macht den Wagen auf gerader Strecke nicht in einen Zaun zu stopfen.
Bei derartigen Einparkversuchen verlangsamt das Spiel dann und inszeniert euren Aufprall mit einem Unschärfeeffekt - ähnlich wie dem in GT4. Erwähnenswert ist auch noch, dass die ohnehin schon riesige Weitsicht der Grafik um zusätzliche Hintergrundbilder ergänzt wurde. Diese sind allerdings etwas niedrig aufgelöst, weswegen sie sich meistens nicht besonders harmonisch in das ansonsten komplett gelungene Bild aus gerenderten Landschaften einfügen.
Irgendwas fehlt
Seit dem letzten Ableger ist die WRC Serie nun auch endlich online spielbar. Das hat sich natürlich auch mit dem Neuen nicht geändert. WRC Rally Evolved bietet, wie gehabt, bis zu 16 Spielern gleichzeitig einen Zeitrennenmodus bei denen die Gegner als Ghost Cars dargestellt werden. Neu ist auch hier der Rallyecross-Modus für bis zu vier Spieler, dann natürlich mit echten Duellen und Lackaustausch. Gimmicks, wie etwa ein Lobby- und Chat-System, sowie eine Buddylist, machen das Online-Vergnügen komplett.
Davon abgesehen, stellt der Mehrspielerteil aber leider die größte Schwäche des Spiels dar. Denn, obwohl der Netzwerkcode offensichtlich vorhanden ist, gibt es keinen separaten Netzwerkmodus um mehrere Konsolen vor Ort zusammen zu stecken. Weiterhin gibt es auch nicht mehr die altbekannte Möglichkeit des Zweispielermodus mit geteiltem Bildschirm, sodass mehrere Spieler an einer Konsole die Etappen nur nacheinander absolvieren können.
Fazit
Wie dieser Test gezeigt hat, gibt es an WRC Rally Evolved viele Aspekte die sehr gut gefallen haben. Damit meine ich vor allem die neuen zufälligen Zwischenfälle während der Etappen die das Spiel gleich in mehrfacher Hinsicht bereichern. Darüber hinaus sind der gestiegene Umfang in Sachen Fahrzeugauswahl, die souveräne Grafik und das leicht verschärfte, sehr authentisch wirkende Fahrerhalten zu nennen. Auch die dynamischen Beifahrer-Reaktionen sind prinzipiell gelungen. Allerdings zeigt das Spiel gerade in diesem Bereich noch Verbesserungspotenzial. Zum einen stimmt das Timing der Ansagen oft nicht, zum anderen ist die Qualität der deutschen Stimme weit vom englischen Original entfernt.
Ein weiteres Ärgernis sind die angesprochenen, fehlenden Mehrspielermodi, die eigentlich zum Standardrepertoire eines jeden modernen Spiels gehören sollten. Ansonsten leistet sich WRC Rally Evolved aber nur kleine Detailschwächen, die den Spielspass kaum beeinflussen. Und der ist zweifelsohne vorhanden. Wichtig ist, was auf der Strecke passiert und da kann WRC Rally Evolved vollends überzeugen. Für alle Rallye-Fans ist derzeit das moderne WRC Rally Evolved erste Wahl.
+ 07.11.2005 DS
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