Seit dem ersten Teil verfügt die WRC-Serie über die offizielle WRC-Lizenz der FIA. Mit dieser Tradition bricht auch WRC 4 nicht und bietet deswegen den kompletten Fuhrpark der aktuellen 2004er Saison. Das heißt, euch stehen die sechs WRC-Boliden der Hersteller Ford, Citroen, Peugeot, Mitsubishi, Subaru und Skoda zur Verfügung.
Mit der Lizenz zum Rasen
Ebenfalls schon fast traditionell, weil seit dem zweiten Teil dabei, die Extrem-Fahrzeuge. Hierbei handelt es sich um exklusive Designstudien aus den Designabteilungen der Hersteller, die passend zu ihrem martialischen Äußeren auch über gut und gerne 600 PS verfügen. Auch endlich enthalten sind die fünf Super 1600 Fahrzeuge der FIA Junior-WM und drei Fabrikate der seriennahen Gruppe N4 WM. Während die Super 1600 lediglich über Zweirad-Antrieb verfügen, handelt es sich bei den Gruppe N4-Vehikeln um abgespeckte WRC-Varianten die sehr den Straßenversionen von Mitsubishi Lancer und Subaru Impreza ähneln aber immerhin Allrad-Antrieb besitzen.
In 16 Rallyes um die Welt Der Lizenz-Vorteil von WRC 4 macht sich im Vergleich mit allen anderen Rallye-Titeln die inzwischen für die PS2 erhältlich sind auch bei der Streckenauswahl bemerkbar. Denn auch die zwei neuen Rallyes in dieser Saison, Mexiko und Japan, wurden im Spiel ebenso berücksichtigt wie der Wechsel der Italien-Rallye aus San Remo auf die Insel Sardinien. Etwas bitter schmeckt vor allem letztere Änderung, da der Kalender damit nun um etwas Asphalt ärmer ist. Denn die Strecken auf Sardinien führen zu 50 Prozent auch über Schotter und unterscheiden sich damit nicht sonderlich groß von denen der Griechenland- oder Zypern-Rallye. Dennoch kommt die Abwechslung nicht zu kurz. Dafür sorgen die traditionelle Rallye Monte Carlo mit ihrer Abwechslung aus Schnee und Asphalt, genau so wie die absolut verschneite Schweden-Rallye und die verregnete Großbritannien-Rallye.
Insgesamt warten 16 Länder mit über 100 Strecken auf euch. Dabei handelt es sich stets um die Nachbildung der Highlights der echten Wertungsprüfungen. Dank Satellitenfotos konnten diese bis auf einen Meter genau nachgebildet werden und verschaffen somit das ultimative WRC-Feeling. Sogar die neuen Teststrecken entsprechen den originalen Vorbildern der Subaru-Testcenter in Finnland, Großbritannien und Spanien.
Simulations-Anteil deutlich verbessert Rallye-Freunde mit realistischen Ansprüchen an die virtuellen Nachgestaltungen des echten Rennsports dürfte freuen, dass in WRC 4 ein noch einmal deutlich verstärkter Simulations-Anteil zu finden ist. Am deutlichsten wird dies durch das komplett umgekrempelte Schadensmodell. So arbeiteten die Entwickler nicht nur an der optischen Umsetzung der Schäden, sondern mindestens genauso viel an der physikalischen Umsetzung. Das System hinter den Schäden funktioniert jetzt nicht mehr in Stufen sondern quasi analog. Will heißen, dass jedes Teil eine bestimmte Belastbarkeit aufweist und dementsprechend allmählich mehr und mehr beschädigt werden kann. Ein Beispiel: In WRC 3 konnte man unzählige kleine Crashes bauen welche euer Getriebe alle unbeschadet überstand. Erst ab einer gewissen Intensität des Crashes wurde das Getriebe beschädigt. In WRC 4 hingegen können auch die kleineren Crashes bereits Schäden verursachen und das Getriebe beschädigen, sodass ihr, auch wenn ihr nur kleine Kollisionen hattet, bei zu vielen davon mit Fehlfunktionen rechnen müsst.
Außerdem reagiert das neue Schadensmodell an neun verschiedenen Komponenten eures Gefährts. Dies ist besonders im Reparaturbereich von Bedeutung, da euch hier lediglich 20 Minuten zur Verfügung stehen um alle Spuren, die auf mangelndes fahrerisches Können hindeuten, an eurem Auto zu beseitigen. Besonders gut hat mir neben den endlich zerplatzenden Reifen noch die Umsetzung der ausfallenden Elektronik gefallen. Macht diese schlapp, funktioniert die digitale Geschwindigkeits- und Ganganzeige im HUD nämlich nur noch mit permanentem Wackelkontakt, sodass es besonders beim manuellen Schalten deutlich schwieriger ist den richtigen Kurvenspeed zu finden.
Weg von der Buckelpiste, hin zum echten WRC-Fahrgefühl Neben einem realistischem Schadensmodell ist aber auch ein ebenso realistisches Fahrmodell für eine Simulation unumgänglich. Auch auf diesem Gebiet hat Entwickler Evolution Studios mit viel Aufwand nachgelegt. Mit Hilfe der echten WRC-Piloten wurde an dem Fahrverhalten jedes einzelnen Autos gefeilt. Das Ergebnis ist atemberaubend. Die Fahrzeuge untersteuern nun auch und verfügen nicht mehr über übertriebene Bremswirkung bei gleichzeitiger Spurtreue eines Zuges. Beeindruckend daran ist, dass sich die Fahrzeuge zwar deutlich mehr bewegen, diese Bewegungen aber nahezu spielerisch zu beherrschen sind.
Verantwortlich dafür ist zum einen die nochmals verfeinerte Analog-Steuerung, die arcade-typisch direkt ist und gleichzeitig sim-typisch viel mehr Gefühl bei den Drifts bietet. Aber auch die allgegenwärtigen Vibrationseffekte, mit deren Hilfe man sehr genau einschätzen kann ob ein Drift wieder unter Kontrolle ist, oder ob noch mehr gegengelenkt werden muss, tragen dazu bei. Besonders schön ist auch, dass der Spielspaß im Vergleich zum Vorgänger dadurch aufgewertet wurde, dass einst für Frust beim Spieler sorgende Momente, zum Beispiel durch Hängenbleiben an Leitplanken und Zerstören des Fahrzeugs durch die enorm kantigen Straßenränder, mittlerweile komplett der Vergangenheit angehören.
"Es" lebt! Mit diesem "Es" sind die Umgebungen der Etappen gemeint. Denn deren Animationen sind der größte Hingucker am aktuellen WRC. So wirken die Zuschauer nicht nur aktiv, sondern sind es tatsächlich, was sich in Anfeuerungsrufen, Blitzlichtgewitter und dem in letzter Sekunde zur Seite springen von der Strecke äußert. Wenn man dann in Schweden auch noch sieht wie sich die Leute an wunderschön aussehenden Lagerfeuern aufwärmen, reibt man sich schon beim ersten Mal erstaunt die Augen. Traditionell sind die Landschaften WRC’s größte grafische Stärke gewesen. Das trifft auch auf beim vierten Teil zu, der noch größere Sichtweiten und animierte Wasseroberflächen zu bieten hat.
Als herausragend darf ebenfalls der hohe Detailgrad bei den verwendeten Texturen bezeichnet werden. Dank verdoppelter Texturauflösung sehen diese stellenweise sogar fast schon wie Bump Mapping-Effekte aus und lassen die PS2-Version von Colin McRae Rally 2005 weit hinter sich. Alles in allem liegt die Technik von WRC 4 auf sehr hohem Niveau. Zu den beschriebenen optischen Leckerbissen kommen noch Environment Mapping-Effekte, Weichzeichnerfilter im Hintergrund und riesige Staub- und Rauchwolken hinzu. Auf extrem staubigen Etappen, wie sie beispielsweise in Zypern und Griechenland vorkommen, stehen stellenweise sogar Staubwolken auf den Strecken und erschweren die Sicht.
Einziger Wermutstropfen sind gelegentliche Popups und das bisweilen starke Flimmern. Im Gegenzug bleibt das Spiel aber jederzeit hundertprozentig flüssig und bietet obendrein noch ein sehr gutes Geschwindigkeitsgefühl.
Nachbesserungsbedarf beim Sound
Auch wenn das natürlich eine sehr subjektive Einschätzung ist, prinzipiell ist es sehr zu begrüßen, dass die Entwickler den Weg zurück zu lizenzierter Musik wie im ersten WRC-Spiel gefunden haben. Leider gibt es gerade einmal sechs verschiedene Songs, was an heutigen Maßstäben gemessen doch etwas wenig ist. Außerdem sind diese relativ einseitig in Richtung Rock verteilt, was sicherlich auch nicht jedem gefallen dürfte, aber immerhin noch besser als das öde Elektronikgedudel welches man bei Colin McRae Rally 2005 geboten bekommt. Auch bei den Beifahrer-Ansagen hinterlässt WRC 4 oftmals ein zwiespältiges Bild. So kommen die Ansagen teilweise zum richtigen Zeitpunkt und sind eindeutig, andererseits sind diese genauso oft zu spät, zu schnell oder mehrdeutig. Grundsätzlich funktioniert das System aber recht gut so lange man einen konstanten Rhythmus fährt. Nichts zu meckern gibt es aber an den satten, realistischen Motorensounds, die im Vergleich zum Vorgänger noch einen Tick kerniger klingen. Schade wiederum ist, dass immer noch kein Surround-Sound geboten wird.
Endlich online
Eigentlich bereits für den dritten Teil vorgesehen, jedoch in letzter Sekunde doch noch weggefallen, ist der Online-Modus nun bei WRC 4 endlich mit an Bord. Und, das vorweg, er ist wirklich ausgereift. Maximal 16 Spieler dürfen sich online um die Bestzeit streiten. Das funktioniert ähnlich dem 2 Spieler-Splitscreen-Modus. Das heißt, ihr fahrt zwar gleichzeitig, seht eure Konkurrenten aber nur als Ghostcar, sodass Kollisionen zwischen den Kontrahenten unmöglich sind. Zusätzlich zum online Rennen fahren bietet das Spiel zwei Lobbys. In der Public Lobby könnt ihr mit Freunden das nächste Rennen besprechen, während in der Race Lobby alle am aktuellen Rennen beteiligten Fahrer miteinander reden können.
Events Unter diesem Punkt im Menü finden sich diverse Rennmodi. Pro Driver Challenge nennt sich der neue Karriere-Modus in dem ihr als absoluter Neueinsteiger in der Super 1600 Klasse anfangt und euch allmählich hocharbeiten müsst. Ebenfalls in diesem Menü finden sich der Einzelrallye-Modus und die Teststrecken, unter denen sich auch die so genannten Rallyetests finden. Hierbei handelt es sich um spezielle Prüfungen eures Fahrkönnens. So müsst ihr beispielsweise eure Kurventechnik unter Beweis stellen indem ihr eine vorgegebene Zeit schlagt. Dafür bekommt ihr dann wie für alle anderen Erfolge im Spiel Punkte. Durch diese Punkte schaltet ihr dann Fahrzeugupdates, neue Fahrzeuge oder neue Etappen frei.
Fazit
Stellt sich die Frage ob alle Verbesserungen die WRC 4 zu bieten hat ausreichen, um Colin McRae Rally 2005 zu schlagen. Mit der Antwort habe auch ich mich nicht leicht getan, doch im Endeffekt bin ich der Meinung, dass es WRC 4 dieses Jahr geschafft hat. Zu dieser Erkenntnis komme ich deshalb, weil sich im direkten Vergleich bei WRC 4 einfach viel mehr weiterentwickelt hat als bei Colin McRae Rally 2005. Desweiteren hat das Spiel auch beim Realismus sehr viel Boden gutgemacht, wenngleich Codemasters aktueller CMR-Titel hierbei noch einen kleinen Vorsprung besitzt. Das ist aber auch der einzige Punkt in dem Colin McRae Rally 2005 Sony´s WRC 4 überlegen ist. In allen anderen Punkten ist WRC 4, das offizielle Spiel zur Rallye-Meisterschaft, besser. Wer also unbedingt Wert auf jedes Quäntchen Realismus legt, hat mit Colin McRae Rally 2005 vermutlich die etwas bessere Rallyesimulation. Das bessere Rallyespiel aber ist dieses Jahr in der Gesamtsumme eindeutig WRC 4.
+ 20.11.2004 DS