Was lange wärt ist endlich ziemlich gut geworden. Die Rede ist von Sonys Formel-1-Rennspiel-Reihe. Zu PSOne-Zeiten, und in den frühen Anfangstagen der PS2-Generation, mussten sich die von Studio Liverpool entwickelten Titel meist der übermächtigen Konkurrenz von Seiten EA und Microsofts alt eingesessener Grand Prix-Serie geschlagen geben. Doch die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen hält der japanische Konzern die alleinigen Rechte an der Verwendung der aktuellen Formel-1-Daten, was EA ihrerseits dazu veranlasste sämtliche Entwicklungen auf diesem Sektor einzustellen und auch ein neuer Titel vom Altmeister Geoff Crammond ist weit und breit nicht in Sicht.
Sony ist also allein auf weiter Flur und hat dieses Monopol erfreulicherweise in den vergangenen Jahren nicht schamlos ausgenutzt sondern den F1-Fans immer wieder deutlich verbesserte Spiele serviert. Gute Vorzeichen für Formel Eins 06, denn im Prinzip kann sich Sony höchstens selbst ein Bein stellen.
Topaktuell und doch schon wieder veraltet
Nach wie vor beschert nur Sony seinen Kunden das Privileg der aktuellen Formel-1-Saisondaten. Die Konsequenz daraus ist, dass Konkurrenztitel zunächst auf veraltete Daten zurückgriffen und inzwischen ganz die Strecke geräumt und Sony den Markt überlassen haben. Die Crux an der Sache ist nur, dass Sony auch immer eine gewisse Zeit zur Versoftung der jeweils aktuellen Daten benötigt und jene, so wie in diesem Jahr, bereits wieder Formel-1-Geschichte sind, wenn das Spiel endlich erscheint.
So muss korrigierend erwähnt werden, dass Formel Eins 06 sämtliche zum Saisonstart aktuellen Originaldaten verwendet. Im Klartext bedeutet das, dass im Cockpit von McLaren Mercedes immer noch Juan-Pablo Montoya, im BMW Sauber F1 Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve und im Super Aguri der Japaner Yuji Ide anstatt ihrer Nachfolger, de la Rosa, Kubica und Yamamoto sitzen. Des Weiteren blieben demzufolge auch die jüngsten Regeländerungen auf der Strecke, sodass die letzte der drei Qualifying-Sessions im Spiel immer noch 20 Minuten statt derer 15 in der Realität dauert.
Viele Verbesserungen im Detail
Fans der Serie werden den aktuellen Spross auf Anhieb erkennen. Die zugegeben sehr gute Menü-Struktur hat sich kaum verändert und lediglich ein kleiner Griff in den Farbtopf verpasst den Menüs einen etwas modernen Auftritt. Gleichzeitig hat man sich beim Entwickler Studio Liverpool vor allem auf Detailverbesserungen konzentriert. Das kann man zum Beispiel am Karrieremodus klar erkennen. Während dieser im vergangenen Jahr nur daraus bestand, dass ihr euch von einem kleinen Team aus in eines der Spitzencockpits arbeitet, müsst ihr euer Talent nun erst einmal als Testfahrer beweisen.
Zu Beginn absolviert ihr also erst einmal verschiedene Testfahrten, um die richtige Aerodynamik, die besten Reifen und die optimale Tankfüllmenge herauszufinden. Macht ihr diesen Job gut, winkt ein Stammplatz im Team und damit die Teilnahme an der WM. Ein weiteres Indiz für die dezenten aber sinnvollen Verbesserungen im Spielablauf ist die Einführungsrunde, welche ihr nun selbstständig vor dem Grand Prix in Angriff nehmen könnt. Ziel ist es logischerweise die Reifen so gut wie möglich auf Temperatur zu bekommen. Was gar nicht so einfach ist, denn um die Pneus wirklich in den grünen Bereich zu bekommen, muss man praktisch ununterbrochen Slalom fahren. Hierbei macht auch der Griff zum Live-Dynamik genanten Feature richtig Sinn, denn dieses erlaubt die Verstellung von Traktionskontrolle und Bremsbalance in Echtzeit.
Während das Nachjustieren im Rennbetrieb selbst er selten von Nöten ist, wirkt es Wunder die Traktionskontrolle in der Formation Lap auszuschalten, damit die Hinterräder eher durchdrehen können und so viel schneller Temperatur und damit Grip aufbauen.
Ein kleines Sensibelchen
Eigentlich ist Formel Eins 06 seinem Vorgänger in allen Belangen sehr nah, aber die Steuerung scheint einen Tick empfindlicher geworden zu sein, was sich insgesamt negativ auf das Fahrgefühl auswirkt. Das Problem ist nicht etwa, dass sich die Boliden jetzt zu realistisch verhalten würden. Nein, das Problem liegt wirklich an der Steuerung des Spiels. Sowohl der linke Analogstick als Lenkung, als auch der rechte als kombiniertes Gas- und Bremspedal reagieren um die Mittellage des Sticks und einen Hauch sensibler.
Dadurch wird es spürbar schwerer weite Kurvenradien in einem sauberen Schwung und enge Kurven mit der richtigen, angepassten Geschwindigkeit zu nehmen. Das Resultat ist vor allem zum Anfang ein wild quer über die Strecke schießender Wagen, weil man schlichtweg zuviel beziehungsweise zu stark einlenkt. Dadurch fühlt sich die analoge Steuerung unfreiwillig fast wie eine digitale an. Hört sich jetzt dramatisch schlimm an, ist de facto auch schlechter als im direkten Vorgänger, aber nach ein paar Rennen hat man sich dran gewöhnt.
Stillstand = Rückschritt?
Die Grafikabteilung von Sonys Liverpooler Studio scheint sich schon gänzlich der kommenden PlayStation 3-Konsole zu widmen, denn anders ist wohl kaum zu erklären, dass sich bei der Optik von Formel Eins 06 im Vergleich zum direkten Vorgänger nichts und damit meinen wir wirklich gar nichts geändert hat. Das Spiel sieht dem Jahrgang 2005 zum Verwechseln ähnlich. Somit hat der Titel alle guten wie auch schlechten Anlagen seines Zwillingsbruders geerbt. Auf der Haben-Seite gibt es also immer noch die detailgetreuen Wagenmodelle, die belebten Tribünen und den einen oder anderen hübschen Wetter-, Schmutz- oder Unschärfe-Effekt zu verbuchen.
Auf der anderen Seite fehlt dem Titel aber auch so einiges an Schönheitsmerkmalen. An die oft verwaschenen oder auch pixeligen Texturen hat man sich bei der PS2 ja schon fast gewöhnt. Genauso wie in Sachen Bildqualität scheint die Leistung der guten alten PS2 hier nun wirklich erreicht, denn dem Bild von Formel Eins 06 fehlt es deutlich an Antialiasing und Tiefenschärfe, was sich leider zu offensichtlich in vielen Treppeneffekten der Polygonkanten und verwaschener Distanzdarstellung äußert. Richtig ärgerlich aber ist, dass es die Entwickler immer noch nicht geschafft hat den Wagen und Fahrerhelmen hübsches echtes Environment Mapping zu verpassen.
Dieser Effekt gehört nun schon seit Jahren zum Standard-Reportiore eines jeden Rennspiels und ist auch auf der PS2 schon längst keine Ausnahmeerscheinung mehr. Stattdessen muss man sich mit halb hübsch, halb hässlich vorgetäuschten Lackspiegelungen und eckigen Fahrerhelmen zufrieden geben. Das einzig Gute an dieser Enthaltsamkeit zuviel optischen Beiwerkes ist die jederzeit souverän flüssige Framerate.
Labertaschen
Im Gegensatz zu den Grafikern scheinen die Tontechniker des Spiels noch Bedarf für Verbesserungen gehört zu haben. Denn der Sound von Formel Eins 06 übertrifft den seines Vorgängers, wenn auch nur knapp. Die meistens Sounds stammen zwar ebenfalls direkt aus dem Vorgänger, doch die Motorengeräusche geben die Charakteristika der V8-Motoren nun etwas besser wieder. Im direkten Vergleich zu den früher üblichen V10-Maschinen klingen sie eine Nuance weniger laufruhig und demzufolge etwas rauer und aggressiver, verändern ihren Klangcharakter und schreien mit zunehmender Drehzahl herrlich schrill auf.
Auch die übrige Klangkulisse macht einen guten Eindruck. Für den passenden Kommentar während der Rennen sorgen wieder die beiden F1-Profis Heiko Wasser und Christian Danner von RTL. In diesem Jahr bastelt das Spiel mit deren Stimmen sogar relativ komplexe Sätze, auch wenn sich die Kommentare nach wie vor häufiger wiederholen können und bei weitem nicht alle Aussagen authentisch und einige sogar fast ein bisschen lächerlich klingen. Aber immerhin haben die beiden auch die ein oder andere Hintergrundinfo und Fachanalyse auf Lager, was die TV-Atmosphäre fast komplett macht.
Schön, dass da auch euer Renningenieur mithalten kann, der sich häufig über Funk meldet und nicht nur Zwischenzeiten wieder, sondern auch wertvolle Tipps fürs Setup von sich gibt. Auf Wunsch kann die ganze Soundkulisse auch über Dolby Pro Logic 2 ausgegeben werden. Einzig und allein ein paar fetzige Songs für die Menüs hätten nicht geschadet.
Abrüstung
Noch ein Beitrag zum Thema "Heute ist morgen schon gestern". Denn nachdem Sony im vergangenen Jahr stolz die EyeToy- Kameraunterstützung für den Karrieremodus verkündete, wurde das innovative Feature in diesem Jahr schon wieder abgeschafft. Da das Feature nicht gerade bedienerfreundlich war, wird man den Verlust wohl noch so gerade verkraften können. Viel schlimmer ist, dass in unserem Testmuster weit und breit kein Onlinemodus aufzufinden war und das, obwohl der doch auch erst letztes Jahr integriert wurde.
Fazit:
Eingangs stellten wir die Frage, ob Sony auch 2006 nochmals den Ideenreichtum, der die vergangenen Versionen der F1-Serie zu so guten Spielen gemacht hatte, bemüht hat. Die Antwort hierauf lautet wohl eher nein, denn genau genommen ist die Einführungsrunde das einzige echt neue Feature das Formel Eins 06 zu bieten hat. Der Rest sind viele kleine, oftmals nette und teilweise wirklich sinnvolle Details, wie der mit den Testfahrer-Jobs erweiterte Karrieremodus und die deutlich gesteigerte Kommunikation mit eurem Renningenieur, welcher euch bei der Wahl des richtigen Setups mit Rat und Tat zur Seite steht.
An vielen anderen Baustellen hat es Sony jedoch nicht geschafft eben solche sinnvollen und bisher fehlenden Details zu ergänzen, beispielsweise bei der Grafik. Ein bisschen mehr Kantenglättung, Tiefenschärfe, realistischere Reflektionen oder beispielsweise funktionierende Rückspiegel hätten Wunder gewirkt. So sieht der Titel irgendwie angestaubt aus. Außerdem ist kaum nachvollziehbar, warum man sich den Online-Modus in diesem Jahr gespart hat.
Den größten Anreiz für Formel Eins 06 übt also Mal wieder die aktuelle Lizenz aus. Die ist allerdings, wie beschrieben, nun schon gar nicht mehr so aktuell, aber wer unbedingt in den Overall von F1-Küken Nico Rosberg oder in das Cockpit eines der brandneuen BMW Sauber F1-Boliden springen will kommt nicht an Formel Eins 06 vorbei. Insbesondere Besitzer des direkten Vorgängers werden es aber schwer haben den erneuten Vollpreis mit ihrem Gewissen zu vereinbaren. Wer das hervorragende Formel Eins 05 noch nicht sein Eigen nennt, der darf aber bedenkenlos bei der 06er-Edition zugreifen, denn eines muss auch noch ganz klar gesagt werden: Formel Eins 06 ist immerhin genauso gut wie sein exzellenter Vorgänger und damit generell eine Empfehlung für F1-Fans.
+ 15.08.2006 DS
