IMGROLD520Alle Jahre wieder – und zuletzt in immer kürzer werdenden Abständen – bringt die englische Rennspieleschmiede Codemasters eine neue Ausgabe ihres zum Klassiker avancierten Rallyegames Colin McRae Rally heraus. Während sich die Karriere ihres Namensgebers in der Rallye-Weltmeisterschaft jedoch ihrem Ende nähert und Colin in diesem Jahr überhaupt nicht mehr teilnimmt, glänzt das Spiel traditionell mit größtem Spielspaß bei trotzdem lobenswertem Realismus.
Eins vorweg: Das hat sich auch in der neuesten Ausgabe nicht geändert. Wie in den ersten beiden Teilen geht man back to the roots und lässt den zwar interessanten, aber leider eingeschränkten Karrieremodus aus Teil 3 links liegen. Nun gilt es wieder, in einem beliebigen Fahrzeug die Meisterschaft in unterschiedlichen Klassen und Schwierigkeitsstufen zu bewältigen, was dann mit Bonusautos oder neuen Meisterschaftsklassen belohnt wird.
Einfacher Einstieg auch für Nicht-Colin McRae Rallye-Veteranen
Zoom Man fängt buchstäblich klein in der Klasse der Frontgetriebenen Renner an, hier erwarten den Spieler Autos, die im grauen Alltag brave Kleinwagen sind, als Rallyeversionen jedoch breit auf der Straße kauern und alle gut 200 PS haben. Citroen Saxo und Ford Puma sind hier alte Bekannte, sie sind alle leichter zu kontrollieren als die WRC-Autos mit Allradantrieb. Nach der Entscheidung für eine Klasse gilt es noch einen Schwierigkeitsgrad zu wählen. Im Modus "leicht" hat man es mit schwächeren Gegnern zu tun, die für eingefleischte Colin-Fans kein Problem sein sollten. Außerdem ist das Schadensmodell reduziert, man muss seinen Boliden schon mehrmals mit Wucht in die Bäume pfeffern, damit wirklich ernsthafte Probleme entstehen.
Das Schadensmodell bekommt im Modus "Schwer" einen beinahe realistischen Touch, und ist damit ohne Zweifel ein Highlight von Colin McRae Rally 04. Das eigentlich übliche Schadensmodell von Rennspielen, das die meisten Crashes ohne größere Probleme verzeiht, ist in der höheren Stufe Geschichte. Von der zersprungenen Fensterscheibe bis zum Totalverlust von Rädern reicht das Spektrum, dazu wird die Art eines Unfalls optimal unterschieden. Wenn man mit dem Vorderrad an einen Felsen prallt, verzieht sich die Spur und das Auto zieht in eine Richtung. Ein Frontalaufprall auf einen Baum sorgt für Turbo- und Kühlprobleme, die im Zweifel auch zum Motorschaden und Totalausfall führen können. Schwere Unfälle mit dem Heck voran schaden meistens dem Spoilerwerk und der Aerodynamik. Folge: Das Auto tänzelt bei Highspeed unkontrolliert hin und her und lässt sich nur schwer in der Spur halten.
Schadensmodell vom Feinsten
Zoom Die Darstellung der Schäden ist detailliert, wie überhaupt sämtliche Rennwagen. Der kleinste Flügel ist originalgetreu modelliert, auch Fahrer und Beifahrer kann man in der schicken Wiederholung bei der Arbeit zusehen. Jeder Reifentyp hat seine Felge, und die Karosserie schimmert glänzend in der Sonne – zumindest vor der Etappe. Hinterher ist sie je nach Bodenbelag kaum noch unter dem Staub zu erkennen. Detailgetreu ist auch die Umsetzung des Streckenbelags. Auf den brutalen Schotterpisten in Griechenland lauern gewaltige Schlaglöcher, die Federung der Autos hat alle Hände voll zu tun. Auch die teils kaputten Asphaltpisten dritter Kategorie in Spanien schütteln den Spieler besonders in der Cockpitperspektive durch.
Überhaupt sind die Streckenlayouts geradezu brillant, die Serie steigert sich in der Hinsicht von Mal zu Mal. Beim Ritt zwischen den Bäumen auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken in Finnland bekommt man schweißnasse Hände, der kleinste Fehler kostet viel Zeit und demoliert das Auto in den höheren Levels schwer. Ähnlich ist es auf dem winkligen Kurs von Spanien und in den ultra-engen Passagen in Australien. Entspannung gibt es in Schweden, wo man gefahrlos die längsten Drifts ins Eis zaubern kann – bei einem Fehler wird man durch die Schneewälle weich aufgefangen. Die Umgebungsgrafik ist aber trotz Verbesserung im Vergleich zum Vorgänger leider nicht ganz Stand der Technik, die im Laufe des Jahres erwarteten Konkurrenten im Rallyegenre protzen bereits jetzt mit weitaus schöneren Landschaften.
Hervorragendes Fahrgefühl nach kurzer Eingewöhnungszeit
Zoom Ob sie aber beim Fahrgefühl mithalten können, ist fraglich. Nach der üblichen Eingewöhnungszeit von etwa einer Spielstunde ist es auch diesmal die absolute Referenz. Die Autos sind jederzeit perfekt zu kontrollieren, verschiedene Straßenbeläge erfordern auch einen speziellen Fahrstil. Präzise Drifts sind eine Freude und auf losem Belag nötig, um auch nur ansatzweise schnell zu sein. Dagegen verlangt Asphalt eine runde und mutige Fahrweise, der Schnee von Schweden dagegen wieder ruhige Lenkmanöver. Die auf wenige Parameter beschränkten Abstimmungsmöglichkeiten zwischen jeweils zwei Etappen sind erfreulich simpel und sehr effektiv. Eine harte Federung sorgt in Griechenland dafür dass das Auto mehr springt als fährt, weich eingestellt krallt sich der Wagen aber fest wie eine Katze. Im Rahmen dessen kann man auch entstandene Schäden reparieren, hat aber nur ein bestimmtes Zeitkontingent zur Verfügung.
Insbesondere die Allradgetriebenen WRC-Autos haben eindeutige Unterschiede im Fahrverhalten. Während die brandneuen Citroen Xsara und Subaru Impreza leichtfüßig einlenken, sind die älteren Modelle wie der Mitsubishi Lancer schwerfällig und zickig.
Bonusautos aus der Rallyehistorie wie die legendären Audi Quattro oder Peugeot 205 T16 und Spaßmobile wie die Citroen Ente in Paris-Dakar-Ausführung oder der Fort Transit Teambus lassen sich durch Meisterschaftstitel freischalten. Die Königsklasse erwartet den Spieler dann nach dem Gewinn der schweren WRC-Meisterschaft: Der so genannte Expertenmodus. Dort beschränken sich die Hilfsanzeigen auf das Nötigste, keine Zwischenzeiten werden eingeblendet. Dazu ist die Cockpitperspektive zwangsweise vorgegeben, Schadensmodell und Gegnerniveau auf dem Maximum.
Fazit: Sollte man den gemeistert haben, kann man sich im Netzwerk oder online neue Herausforderer suchen, bis dahin wird Colin McRae Rally 04 aber für viele Stunden Spielspaß und manchmal auch für gehörig Nervenkitzel sorgen.
Wertung: 90%
+ 02.05.2004 DB
