Schlappe 10 Jahre ist es nun her, dass ein junger Stuntman namens Hermann Joha die Chance erhielt seine Vision von Action-Verfilmungen im deutschen Fernsehen zu realisieren. Am 12. März 1996 geht der Pilotfilm auf RTL an den Start und begründet damit den beispiellosen Siegeszug für die Serie Alarm für Cobra 11 selbst, die Produktionsfirma Action Concept und derer weiteren Projekte. Seiher sind 18 Staffeln produziert worden und ein Ende ist nicht in Sicht.
Was also eignet sich besser als Vorlage für ein Action-Rennspiel als Alarm für Cobra 11? Das hat auch RTL schon früh erkannt und in der Vergangenheit bereits mehrere Spiele, deren Qualität allerdings im Gros unterirdisch blieb, zur Erfolgserie in Auftrag gegeben. Doch dieses Schattendasein soll sich nun ändern. RTL schaltet einen Gang hoch und hat sich für die Entwicklung des neuen Cobra 11-Spiels renommierte Hilfe geholt. Keine geringeren als die Programmierer des deutschen Studios Synetic kümmerten sich um Alarm für Cobra 11 - Nitro. Wollen wir doch mal sehen, ob es den Rennspielprofis von Synetic gelungen ist ein der TV-Serie würdiges Computerspiel abzuliefern.
Köln und Co.
Starten wir also unsere Karriere bei der Autobahnpolizei. Alarm für Cobra 11 - Nitro spielt, wie sein TV-Vorbild, rund um die Großstadt Köln, wobei es nicht ausschließlich auf den Autobahnen zur Sache geht. Auch Landstraßen und sogar Innenstadt-Passagen stehen auf dem virtuellen Dienstplan. Allerdings macht keine dieser Umgebungen von realen Straßendaten Gebrauch. Wer sich also schon darauf gefreut hat die Domplatte unsicher zu machen wird hier enttäuscht, was an sich nicht weiter schlimm ist, dennoch hätten der Abwechslung ein paar mehr Landstriche zusätzlich nicht geschadet.
Immer geradeaus
Der Spielablauf von Nitro ist generell sehr linear. Man kämpft sich von einer Mission zur nächsten und wird ab und an befördert bis man es zum 1. Kriminalhauptkommissar geschafft hat. Je nach Mission wechselt ihr hierbei immer wieder zwischen den beiden Hauptcharakteren der Serie, Semir Gerkhan und Tom Kranich, hin und her. Außer den unterschiedlichen Dienstwagen und dem beschränkten Blick durch die Scheibe in das Fahrzeuginnere bekommt ihr von den beiden aber leider nicht sehr viel zu sehen.
Lizenz oder doch nicht?
Damit sind wir auch direkt auf den ersten großen Knackpunkt von Alarm für Cobra 11 - Nitro gestoßen, der da heißt Lizenz. Hier wurde doch arg gespart. Während andere Spiele inzwischen dank dichter Hintergrundgeschichten, stilecht erzählten Zwischensequenzen und professionell Vertonung inzwischen Hollywood-Niveau erreichen, verzichtet ausgerechnet Alarm für Cobra 11 - Nitro auf die kinoreife Atmosphäre der TV-Serie. Eine zusammenhängende Story sucht man genauso vergebens wie die vielen im Fernsehen lieb gewonnenen Charaktere, wie etwa die beiden Streithähne Bonradt und Herzberger.
Es drängt sich der Eindruck auf, als habe man versucht die Produktionskosten um jeden Preis zu drücken. Davon zeugen auch die Phantasie-Vehikel, auf die Nitro mangels Lizenz aber zu Gunsten eines umfangreichen Schadensmodells zurückgreifen muss. Im Gegenzug kostet das Game aber auch nur geldbeutelschonende 30 Euro.
Genau wie im Fernsehen...
Action-Serien wie Alarm für Cobra 11 sagt man ja allgemein nach, dass diese nicht gerade geistig wertvolle Unterhaltung bieten. Das trifft leider auch auf das zugehörige neue Spiel zu. Denn einen hohen Anspruch an seine Spieler stellt Nitro nun wirklich nicht. Da die Missionen stets, wie erwähnt, linear ablaufen, ist wenig Eigeninitiative gefordert. Im Wesentlichen beschränkt sich das Spielprinzip darauf in einem Zeitlimit den Tatort zu erreichen und dann einen Gangster zu überführen, indem man entweder dessen Wagen zu Altmetall verarbeitet oder diesen elegant ausbremst ohne unnötige Kollateralschäden zu riskieren.
Viel mehr Spieltiefe sollte man besser nicht erwarten und auch die KI macht das Ganze nicht gerade komplexer. Auf der Autobahn zum Beispiel ist es absolut kein Problem mit weit über 200 km/h zwischen zwei Spuren hindurch zu rasen ohne auch nur einen zivilen Verkehrsteilnehmer zu touchieren. Gleichzeitig reagieren die NPCs aber auch nicht wirklich auf Blaulicht und Martinshorn, wodurch insbesondere die teilweise minutenlangen Autobahnabschnitte wirklich wenig dankenswert sind. Darüber hinaus hätten etwas aggressivere Gegner der Action ebenfalls gut getan.
Autofahren für Anfänger
Passend zur simpel gehaltenen Missionsstruktur gibt sich auch das Fahrverhalten des Spiels betont einfach. Die Option Arcade-Plus werden World Racing-Veteranen bereits bestens kennen, doch selbst wer diesen und auch noch den optionalen Bremsassistenten ausschaltet wird mit der Kontrolle der Vehikel zu keiner Zeit überfordert sein. Generell bleiben die Fahrzeuge in Alarm für Cobra 11 - Nitro sehr spurtreu, sodass fahrdynamische Eigenschaften, wie Unter- und Übersteuern, nur sehr sporadisch auftreten.
Ganz allgemein verfügt das Spiel über eine sehr schöne, weil direkte und gleichzeitig gefühlvolle Lenkung, die es einem einfach macht sich auch durch dichten Verkehr zu schlängeln. Dennoch wäre ein Simulationsmodus wünschenswert gewesen, oder eine etwas ausgeprägtere Tendenz zum Übersteuern für mehr unterhaltsame Drifts. Dass Nitro das nicht bietet mag zum einen an der Zielgruppe, zum anderen aber auch am bewusst einfachen Konzept der Spiele zur Serie und dem niedrigen Verkaufspreis liegen.
Hübsch anzusehen
Nicht zuletzt bei der Grafik sind die World Racing-Gene von Alarm für Cobra 11 - Nitro überdeutlich. Synetics weiter entwickelte Landscape-Engine erstrahlt auch hier in gewohnter Pracht. Hohe Polygonraten in Zusammenarbeit mit diversen netten Effekten und Spiegelungen lassen sowohl die Landschaften als auch die Wagen im Spiel ziemlich glaubhaft aussehen. Nach wie vor ein Hingucker ist das Gras, welches sogar platt gefahren werden kann. Überhaupt gibt es jede Menge dynamischer Objekte, wie Straßenschilder oder Müllsäcke am Straßenrand. Mindestens genauso beeindruckend sind die schieren Massen an Verkehrsteilnehmern die auf den Autobahnen dargestellt werden – Rush Hour pur.
Aber es gibt auch ein paar Schwächen. So zum Beispiel die lieblose Innenraumgestaltung der Wagen, welche man sich kurzerhand komplett gespart hat. Die so entstandenen mattschwarzen Flächen im Interieur der Vehikel sehen nicht nur hässlich aus sondern sind noch dazu für ein Rennspiel Jahrgang 2006 nicht mehr angemessen. Eine zweite Rüge gibt es für die etwas sehr pixeligen Hintergrundbilder. Den Kölner Dom in weiter Ferne kann man nur mit viel gutem Willen erkennen. Hier darf man heutzutage ebenfalls ein bisschen mehr erwarten. Ansonsten aber gefällt die Optik des Titels mit einem lupenreinen Geschwindigkeitsgefühl, wohlgemerkt ohne irgendeinen Unschärfe-Filter-Schnickschnack und einem gefälligen Siku-Autolook.
Da fliegen die Fetzen
Extra für dieses Spiel hat man bei Synetic das Schadensmodell der Engine noch einmal überarbeitet, schließlich sollen die virtuellen Massenkarambolagen ihren Fernseh-Vorbildern in Nichts nachstehen. Das Ergebnis ist zwar nicht revolutionär, aber immerhin zufrieden stellend. Besonders die Wagen mit Anhänger schleudern spektakulär über die Straße, aber auch bei allen anderen Vehikeln geht allerhand zu Bruch. Scheiben zerbersten, Stoßfänger, Motorhauben und Türen fliegen quer durch die Lüfte und die Lackierung der Autos wird mit tiefen Kratzern entsetzlich entstellt.
Einzig und allein die ständigen Explosionen jedes Wagens, den ihr rammt oder auch oft nur streift, wirken des Öfteren relativ lächerlich und sehen darüber hinaus nicht gerade überragend schön aus. Alles in allem hat man wohl in dieser Art von Spielen schon etwas mehr Zerstörung gesehen, aber es reicht allemal, um auch sadistische Spieler zufrieden zu stellen.
Sound und Zugabe
Eher von der unauffälligen Art ist der Soundtrack des Spiels. Im Hintergrund dudelt serienmäßig ein unauffälliges Gitarren- und Elektro-Medley das nur wenig zur Atmosphäre beitragen kann. Gleiches gilt für Motorengeräusche und andere Audio-Spezialeffekte wie Crash-Sounds. Auch diese sind eher von dezenter Natur und alles andere als aufdringlich gut, aber sie erfüllen ihren Zweck. Drittes und letztes Sound-Element sind die gelegentlichen Audio-Kommentare von der Einsatzzentrale, die euch mit aktuellen Missionszielen und zynischen Kommentaren a la "Der Steuerzahler wird sich bedanken." versorgt. Ganz nett, aber nicht besonders beeindruckend in der Ausführeung und deswegen ebenfalls nicht mehr als nötiges Beiwerk.
Um dem Geschehen auf dem Bildschirm etwas mehr Pep zu verleihen kann man aber Gott sei Dank, typisch Synetic, seine eigenen Lieblingssongs per Musik-Manager-Funktion direkt ins Spiel integrieren. Dafür ein dicker Pluspunkt. Ebenfalls lobenswert ist der für PC-Spiele nicht gerade alltägliche Splitscreen-Modus. Auf Online- oder Netzwerkmodi hingegen muss der Spieler leider verzichten.
Fazit:
Die Neuinterpretation zeigt, dass der Stoff des TV-Quotenkönigs Alarm für Cobra 11 doch für mehr gut ist als es die vergangenen Umsetzungen für PC gezeigt haben. Rennspiel-Spezialist Synetic macht einen gewohnt soliden Job. Alarm für Cobra 11 - Nitro bietet eine absolut konkurrenzfähige Grafik, ein schmuckes Schadensmodell sowie ein top Geschwindigkeitsgefühl und damit reichlich Action. Nicht zuletzt bei der blitzsauberen Steuerung bekommt man die Routine der Entwickler direkt zu spüren. Damit ist Nitro mit Abstand der beste Titel in der bisher eher unrühmlichen Historie der Alarm für Cobra 11-Spiele.
Nichtsdestotrotz würde das Konzept noch viel mehr hergeben. Warum also nutzten RTL und Synetic nicht das volle Potenzial der Serie aus, indem sie dem Spiel beispielsweise eine richtige Hintergrundstory mit Zwischensequenzen und den Original-Stimmen der Darsteller spendieren? Warum sind die Missionen so simpel gestrickt und so lieblos aneinander geklebt? Warum gibt es, abgesehen von zwei Seat-Modellen, die es auf Grund eines Marketing-Gags ins Spiel geschafft haben, keine lizenzierten Autos, obwohl RTL doch in jeder Folge die Wagen schneller verschrottet als sie beim Hersteller vom Band laufen? All diese und noch viele kleinere Kritikpunkte im Detail müssen sich die Macher gefallen lassen.
Abgesehen davon aber ist Alarm für Cobra 11 – Nitro ein unterhaltsames Action-Rennspiel zum günstigen Preis und mit seinem Arcade-Gameplay prädestiniert für ein paar lustige Stunden Zwischendurch.
6 05.12.2006 DS
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