ZoomProject CARS 2Bilder vom 05.08.17gamescom 2017-TrailerDie Klassikstadt in Frankfurt bildete den Rahmen für eine Vorpräsentation von Project CARS 2. Bandai Namco und Slightly Mad Studios luden ein und 'Speedmaniacs.com' durfte den heiß erwarteten Titel antesten. Außerdem standen uns zwei führende Köpfe des Studios Rede und Antwort.
Klares Statement zu Beginn
Die anfängliche Präsentation stellt sich als großer Rundumschlag heraus. Game Director Stephen Viljoen ließ es sich nicht nehmen, mit einem gewissen Stolz nahezu jedes Detail zu Project CARS 2 zu erläutern, von denen allerdings vieles bereits bekannt war. Doch zu allererst führte er aus, was ihn offensichtlich schon seit längerem störte und gleichzeitig sehr am Herzen liegt. Der, in seinen Augen, Trugschluss, dass eine Simulation umso realistischer ist je schwieriger sich die Fahrzeuge fahren lassen. Doch Rennwagen werden gebaut um gefahren zu werden und entsprechend gut zu handhaben zu sein. Entsprechendes sollten Simulationsfans erwarten.
Zoom Nach diesem kurzen Statement sprach Viljoen die Neuerungen von Project CARS 2 an. Die Karriere ist tiefgehender als in Project CARS und konzentriert sich mehr auf den Aspekt "Spiel". Es werden nicht mehr alle Fahrzeuge von Beginn an fahrbar sein. Der Spieler soll einen gewissen Fortschritt in der Karriere erleben. Die allerschnellsten Fahrzeuge stehen erst ganz zum Schluss zur Verfügung.
Viel Arbeit wurde außerdem in die Benutzeroberfläche gelegt. Diese ist deutlich zugänglicher und ein "intelligenter Renningenieur" soll als zusätzliche Hilfe dienen, denn in Project CARS wurde der Spieler überfordert. Eine Kritik lautete laut Viljoen sogar, dass man Optionen für die Optionen gebraucht habe. Dies ist bei Project CARS 2 nicht mehr der Fall.
Mehr Freiheiten
Das Heads-up-Display lässt sich völlig frei verschieben. Im Vorgänger war man noch an vorgegebene Ankerpunkte gebunden. Viele Optionen können nun auch während der Session geändert werden. Ein ständiges Neustarten gehört damit der Vergangenheit an. Sehr störend war im Vorgänger der von der künstlichen Intelligenz durchgeführte Boxenstopp. Dies lässt sich nun abschalten, bis zu dem Punkt, dass man alles selbst erledigen kann. Die Einführungsrunde bei rollendem Start mit eingeschlossen. Hinzu kommt ein Spotter der auf Fahrzeuge um den Spieler herum hinweist, was vor allem in Ovalrennen wichtig ist.
Zoom Von den beliebtesten Einstellungen für schnelle Rennen kann man außerdem Favoriten anlegen. Sämtliche Bedingungen lassen sich sowohl im Singleplayer als auch Multiplayer einstellen. Auch Multiclass-Rennen steht nichts im Weg. Im Multiplayer hat sich sowieso einiges getan. Setups können online getauscht werden. Außerdem kann man sich als Zuschauer in ein Rennen einklinken. Ein Blick auf das TV-ähnliche Overlay zeigt die dadurch deutlich verbesserten Livestream-Möglichkeiten.
Ranking-System im Multiplayer
Zudem wurde ein Ranking-System eingeführt, um Fahrer mit ähnlichem Level besser über die Lobby zueinander bringen zu können. Wer viel rempelt wird sich darauf einstellen müssen, dass er es mit anderen Fahrern zu tun bekommt, die ebenfalls mehr auf Destruction Derby aus sind. Sorgfältige Piloten können dagegen darauf hoffen, mit anderen vorsichtigeren Kontrahenten fahren zu können.
Nach diesen Ausführungen ergriff Rod Chong, Chief Commercial Officer von Slightly Mad Studios, das Wort. Er fasste sich kurz und erklärte, dass man für mehr Immersion sorgen will. An Project CARS arbeiteten drei reale Rennfahrer mit, während am neuen Titel insgesamt sieben mitwirkten.
Erstes Rennen verdeutlicht Fortschritte
Damit endete die Präsentation und wir wendeten uns, nach einer kurzen Stärkung, den Simulatoren zu. Nachdem wir hinter einem Fanatec-Lenkrad im Rennsitz Platz genommen hatten, bestand freie Wahl, wo und was wir fahren wollen. Die Bedienung über die Benutzeroberfläche hat sich tatsächlich deutlich gegenüber dem Vorgänger verbessert. Mit den Bedienelementen des Fanatec-Lenkrads huscht man schnell von Fahrzeug- und Streckenauswahl über Jahres- und Tageszeit zu Rennlänge und Wettersituation.
Zoom Um einen messbaren Fixpunkt zu bekommen, geht es mit einem Bentley Continental GT3 in ein Rennen über vier Runden in Spa-Francorchamps. Die Zeitbeschleunigung soll sicherstellen, dass es zur Hälfte des Rennens dunkel wird und die vier Wettereinstellungen - dichte Bewölkung, leichter Regen, Gewitter und Nebel - bedeuten für jede Runde ein unterschiedliches Fahrgefühl. Dieses hat deutliche Fortschritte gegenüber dem Vorgänger gemacht. Jeder Meter im Bentley fühlt sich nachvollziehbar an, das Force Feedback gibt sehr viele Details wieder. Beim Rennstart tut sich die, allerdings nur auf 50 Prozent Stärke eingestellte, künstliche Intelligenz aber prompt mit der La Source etwas schwer und erlaubt uns ein umfangreiches Überholmanöver. Danach entfalten sich aber schöne Zweikämpfe, wenn auch der etwas verfrühte Bremspunkt der computergesteuerten Konkurrenten die Arbeit erleichtert.
Da wir harte Regenreifen aufgezogen haben, beeinträchtigt uns der einsetzende Regen zunächst wenig, aber Vorsicht ist trotzdem geboten. Als das Gewitter einsetzt, ist die Ideallinie noch einigermaßen trocken. Ein Abweichen von dieser stellt sich aber als Ritt auf der Rasierklinge heraus. Entgegen vieler Unkenrufe nach zu viel Grip ist die Fahrt auf wirklich nassem Belag sehr anspruchsvoll. Die Regenreifen kommen deutlich an ihre Grenzen. Am Ende springt Position sieben heraus. Für einen Start vom letzten Platz nicht so schlecht.
Grafik mit Verbesserungen im Detail, guter Sound
Zoom Abgesehen vom überzeugenden Fahrverhalten ist natürlich auch der visuelle Eindruck nicht unwichtig. Dieser hinterlässt ein merkwürdiges Gefühl von imposant aber inkonsistent. Während die fließenden Wechsel von Tageszeiten und Wetter ein Augenschmaus sind, fehlt einigen Kombinationen offensichtlich noch der Feinschliff. So erscheint nachts der Kontrast zwischen nassem Asphalt und trockener Ideallinie im Scheinwerferlicht zu stark. Generell behält auch Project CARS 2 den bisweilen eher kontrastreichen bunten Look des Vorgängers bei. Die Darstellung erschwerter Sichtverhältnisse kommt bei Regen und vor allem in Kombination mit Dunkelheit allerdings voll zum Tragen. Die direkte Fahrt hinter einem Konkurrenten ist bei diesen Bedingungen ein Abenteuer. Bis auf das Heck und die angeleuchtete Gischt ist quasi nichts mehr zu erkennen und man jagt im Blindflug über die Strecke. Mit Blick auf den Vorgänger natürlich nicht unbedingt etwas Neues, aber es zeigt erneut auf, wo die Stärken auch des kommenden Teils gegenüber der Konkurrenz liegen.
Eindrucksvoller als die erwartete gute Grafik ist aber der Sound. Kein Vergleich mehr zu den teils sehr generisch klingenden Fahrzeugen des Vorgängers. Nicht nur sind der Motorenlärm und andere Fahrzeuggeräusche sehr überzeugend, das Prasseln des Regens klang bedrohlich echt, sodass wir sogar kurz einen Blick aus dem realen Fenster warfen.
Nachvollziehbares Fahrverhalten bei Straßenwagen
Zoom Nach diesem nun aber eher gewöhnlichen Rennen wagen wir eine Testfahrt mit dem Nissan GT-R auf dem Red Bull Ring. Es fällt auf, dass das Fahrverhalten der normalen Straßenversion sehr plausibel wirkt. Aufgrund von persönlicher Erfahrung mit einem gut motorisierten Sportwagen auf Rennbelag macht hier Project CARS 2 sehr viel richtig. Der Wagen ist stets gut einschätzbar, was auch am nachvollziehbaren Geschwindigkeitsgefühl liegt. Leider funktionierte die Berechnung des später einsetzenden Schneefalls nicht so richtig, was aber auch an der zu diesem Zeitpunkt bereits veralteten Version gelegen haben kann.
Der große Spaß beim Experimentieren
Dann probieren wir noch etwas völlig Verrücktes aus. Mit dem Rally Cross-Modell des Honda Civic geht es auf die Nürburgring-GP-Strecke - im tiefsten Schnee. Bei dieser Kombination merken wir schnell, dass man alle konventionellen Fahrgewohnheiten komplett über Bord werfen muss. Durch die extrem kurze Übersetzung erreicht man schon vor der Start-Ziel-Linie den Begrenzer. Um die scharfe erste Kurve korrekt nehmen zu können, muss man auf Höhe der Boxenausfahrt entweder per Handbremse oder "Scandinavian Flick" den Wagen 90 Grad zur Fahrtrichtung stellen und anschließend das Gaspedal bis zum Bodenblech durchtreten. Dadurch kommt der Wagen in genau der richtigen Geschwindigkeit in die Kurve gerutscht, um perfekt herausbeschleunigen zu können. An vielen Stellen verabschieden wir uns aber regelmäßig neben die Strecke oder in die Wand. Eine irrwitzige Spielerei.
Gamepad-Steuerung erfordert sehr viel Gefühl
Zoom Bevor es zum Interview geht, wechseln wir zur PS4-Version, um das Handling mit dem Controller auszuprobieren. Hier steht schnell fest, dass ein Fahren ohne ABS und Traktionskontrolle sehr viel Feingefühl erfordert. Das perfekte Beispiel liefert die Tourenwagenversion der Mercedes-A-Klasse. Eine saubere Fahrt in Laguna Seca ist ohne genügend Gamepad-Übung nahezu unmöglich. Auch nur ein bisschen zu hart auf die Bremse und prompt blockieren die Räder. Geht man vollständig vom Gas, ist das, für einen frontgetriebenen Rennwagen typische, Lift-Off-Oversteer brachial. Auch der Rallycross-Ausritt mit dem Mini Clubman endet in einem ähnlichen Debakel, erlaubt aber einen genaueren Blick auf das Schadensmodell. Das gibt nicht nur optisch einiges her, sondern wirkt sich auch erwartungsgemäß eminent auf das Fahrverhalten aus. Nicht gerade hilfreich, wenn man sowieso schon mangels Talent mit der Steuerung zu kämpfen hat.
Interview: Entwickler verteidigen eigene Vision
Wir verlassen die allgemeine Spielumgebung und schreiten zum Interview mit Stephen Viljoen und Rod Chong fort. Bekanntermaßen hagelte es kurz nach dem Release von Project CARS viel Kritik aus dem Simracing-Lager. Viljoen kehrt noch einmal zu seinem ersten Statement zurück und führt aus, dass man die Kritik ernst genommen habe, aber auch eine eigene Vision hat und verfolgt. Er kritisiert, dass sich das gefühlte Fahren wie auf Eis unter einigen Simracern als das Maß an Realismus etabliert habe. Dabei hat man damals schon mit echten Rennfahrern zusammen gearbeitet. Er gesteht ein, dass das Reifenmodell von Project CARS nicht perfekt war. Für Project CARS 2 hat man mit zusätzlichen Rennfahrern zusammen gearbeitet, bis das Ergebnis eins zu eins mit dem realen Fahrverhalten übereinstimmt.
Zoom Worauf hat man bei der Entwicklung den größten Fokus gelegt, wollen wir wissen. "Mehrere" lautet die Antwort von Rod "Vor allem das Reifenmodell und das Userinterface." Die sogenannte Slip Curve, also die Berechnung ab welchem Zeitpunkt der Grip nach und nach verloren geht, ist deutlich überarbeitet worden. Das Limit ist nun besser zu spüren und lässt eine aggressivere Fahrweise zu. Durch die Zusammenarbeit mit realen Rennfahrern wurde zudem ein spezieller Effekt von Fahrzeugen mit hohem Anpressdruck, beispielsweise Indycars, erkannt. Bei harten Kurvenfahrten beißt sich die Außenseite des Reifens regelrecht in den Asphalt und sorgt dadurch für ein anderes Fahrverhalten als bei Fahrzeugen mit weniger aerodynamischem Grip.
KI war Herausforderung - Live Track greift nur bedingt bei Schnee
Dass sich durch Live Track 3.0 die Verhältnisse auf der Strecke in Echtzeit verändern, ist mittlerweile bekannt. Doch die KI dazu zu bringen, damit umzugehen war nicht einfach. Die Computergegner reagieren aber auf die veränderten Gripverhältnisse und lassen bisweilen von einer Attacke ab. Die KI auch auf Rallycross-Strecken sowie in Ovalen zurechtkommen zu lassen war ebenfalls eine Herausforderung. Zum Thema Rallycross erzählen wir von unserer kleinen Nürburgring-Eskapade was von beiden begeistert aufgenommen wird. Man habe erst überlegt, ob man das Übersetzungsverhältnis der Rallycross- Fahrzeuge anpasst, habe sich dann aber doch für den realistischen Weg entschieden. Gleichzeitig werden wir informiert, dass auf Schnee Live Track nur bedingt greift und kaum berechnet wird.
Auf die zusätzlichen Lizenzen angesprochen, erklärt Rod, dass man bereits letztes Jahr von der Trennung zwischen Porsche und EA wusste. Die erste neue Lizenz war allerdings Nissan, da man deren Fahrzeuge unbedingt haben wollte. Auf der Liste standen natürlich auch Ferrari, Lamborghini und Porsche.
Keine Balance of Performance
Zoom Da unsere Zeit knapp wird wollen wir noch wissen ob es eine Balance of Performance innerhalb der einzelnen Fahrzeugklassen geben wird. GT3-Fahrzeuge sind ja bereits sehr gut auf einander angepasst. Da es sich bei älteren Autos um eine andere Ära handelt und man die Besonderheiten realistisch wiedergeben will, gibt es keine Veränderungen. Ein Porsche 935 wird in Le Mans dem Ford Capri klar überlegen sein, auf kurvigen Strecken aber keine Chance haben. Diesen historischen Gegebenheiten will man Rechnung tragen.
Fazit:
Project CARS 2 macht gar nicht so viel Neues im Vergleich zum Vorgänger, dafür aber vieles besser. Die Entwicklung, die andere Simulationen durch die jahrelange Pflege genommen haben, erreicht man bei Slightly Mad Studios indem man sich zwei Jahre zurückgezogen hat um den Nachfolger zu entwickeln. Heraus kommt ein Paket das in Bezug auf Individualisierung von einzelnen Rennen, Meisterschaften und Online-Veranstaltungen mit einem Großteil der Konkurrenz den Boden aufwischt. So eine Spielwiese, siehe unser Schnee-Erlebnis, bietet keine andere Rennsimulation und generell kaum ein anderer Rennspieltitel.
Zoom Große Baustellen des ersten Teils, wie Handling, Force Feedback aber auch User Interface sind gezielt angegangen worden. Der Sound ist deutlich verbessert worden, was alleine schon das Fahrerlebnis deutlich aufwertet. Grafisch fällt auf unseren ersten Blick allerdings kein großer Unterschied auf. Da bereits der erste Teil visuell beeindruckend war, ist hier eher im Detail etwas passiert. Vor allem dieser Umstand und die farblich ähnlich gestaltete Menüführung hinterlässt zumindest optisch das Gefühl eines großen Updates. Aber eines, das sich gelohnt haben dürfte.
Da wir jedoch keine längeren Stints fahren, geschweige denn alle Autos ausprobieren konnten, bleibt abzuwarten, in wie weit realistischer Reifenverschleiß, Live Track, Meisterschaft, künstliche Intelligenz und Onlinemodi mit Ranking-System allesamt zufriedenstellend ausfallen werden. Wir sind optimistisch, aber schaut man auf die Rückseite des mittlerweile entstandenen Hypes, stehen dort noch so einige Fragezeichen.
Anmerkung: Die angespielte PC-Version war zu diesem Zeitpunkt (Anfang August) bereits zwei Wochen alt. Die PS4-Version etwas neuer, aber ohne Lenkrad auch nur bedingt aussagekräftig. Deswegen haben wir auf die Angabe von offensichtlichen Bugs verzichtet.
Project CARS 2 erscheint am 22. September für PC, PS4, PS4 Pro, Xbox One und Xbox One S.
5 27.08.2017 SG
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