Rennspiele - ein Genre, dem der ein oder andere vor wenigen Jahren in Zeiten aufkommender 3D-Shooter und Multiplayer-Schlachten sicherlich keine allzu rosige Zukunft prophezeit hätte. Nun ja, im Moment thront mit Need for Speed Most Wanted ein auf Hochglanz poliertes Action-Rennspiel auf Platz 1 der Verkaufscharts. Noch Fragen?
Dass das Genre lebendiger denn je ist, macht für uns bei SPEEDMANIACS.DE auch noch eine andere Tatsache mehr als deutlich: In mehr als 600 (!) ausführlichen Artikeln haben wir euch dieses Jahr über sämtliche wichtigen Entwicklungen auf dem Rennspiele-Sektor informiert. Die unzähligen dazugehörigen Screenshots, Downloads, Datenbank-Einträge und in Einzelfällen aufwändigen Specials sind natürlich ebenfalls nicht außer Acht zu lassen. Dass über die vergangenen zwölf Monate unsere Besucherzahlen rasant und zugleich konstant nach oben schossen, ist ein überaus erfreuliches Ergebnis der Bemühungen.
Doch ein Rekordjahr war es nicht nur für uns Medienleute (ja, so nennen wir uns jetzt verdientermaßen einfach mal). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben die Entwicklerstudios in ihre Neuentwicklungen Rekordsummen investiert, die Spiele-Publisher über Rennspiele-Hits Rekordumsätze eingefahren (Mit Ausnahme von Acclaim vielleicht, an dieser Stelle schöne Grüße an den Insolvenzverwalter) und die PC- und Konsolenbesitzer eine Rekordanzahl an Stunden mit Rennspielen verbracht. Das schöne für die Spieler dabei ist, dass für alle was dabei war. Sowohl der als eher anspruchslos und actionorientiert geltende Arcade-Junkie als auch der professionell angehauchte und sich selbst gern als "Sim-Racer" bezeichnende Realismus-Liebhaber konnten mit den Neuerscheinungen des Jahres 2005 glücklich werden. Aber der Reihe nach:
Street Racing 4 Life
Eine Sache stand schon zu Anfang des Jahres so gut wie fest: Dem allgemeinen Hype rund um das Tunen, in Fachkreisen auch "pimpen", von vornehmlich japanischen Autos und um die daraus resultierenden illegalen Straßenrennen würde sich die Rennspiele-Welt auch dieses Jahr nicht entziehen können. Mit Midnight Club 3: DUB Edition wollte es Take 2 nochmal wissen und veröffentlichte sein Street Racing-Werk mit hohem Marketing-Aufwand (man erinnere sich beispielsweise an die massenhafte Werbung auf MTV) im April für PS2 und Xbox. Nur einen Monat später folgte Street Racing Syndicate. Auch das von Eutechnyx entwickelte Tuning-Game hatte jede Menge Hip Hop, Girls und Style zu bieten - ob es die Coolness von NFS Underground 2 oder Midnight Club 3 übertreffen konnte oder ob das überhaupt möglich ist sollte am besten jeder selbst beurteilen. Als einer von insgesamt vier (!) Publishern des Titels fungierte unter anderem Codemasters. Codemasters? Die Briten von Colin McRae Rally und DTM Race Driver? Wo waren die eigentlich den Rest des Jahres?
Mit RPM Tuning sprang Frogster Interactive zur etwa gleichen Zeit auf den fahrenden Zug auf und brachte ihr Tuning-Game zu einem fairen Budget-Preis heraus. Ein mit erheblich größerem Aufwand angekündigtes Straßen-Rennspiel schaffte schließlich im Juni den Weg in die Händlerregale. Die Rede ist von Juiced, das nach der Acclaim-Pleite letztlich - und das erfolgreich - von THQ vertrieben wurde. Im November folgte mit dem Konsolen-Game L.A. Rush Midways Beitrag zum langsam aber sicher abklingenden Tuningspiel-Trend, bevor am Ende des Jahres mit EA nochmal der "Meister" dieses Subgenres höchstpersönlich zuschlug und Need for Speed Most Wanted für alle, und zwar wirklich alle derzeit aktuellen Plattformen veröffentlichte. Um der Gefahr vorzubeugen, dass Tuning und Straßenrennen alleine nicht mehr viel Neues bieten können, griff man sicherheitshalber den bereits aus früheren NFS-Teilen bekannten Polizei-Modus auf und integrierte diesen als tragendes Spielelement in den neuesten Ableger der nun schon fast legendären Rennspiel-Serie - und das mit überwältigendem Verkaufserfolg.
Von Sportwägen und Motorrädern
Andererseits kamen in diesem Jahr auch die Freunde von eher auf Realismus getrimmten Sportwagen-Rennspielen nicht zu kurz – speziell Konsolenbesitzer hatten keinen Grund zur Klage. Den Anfang machte im Mai Enthusia Professional Racing für die PS2 und trat dabei den schweren Kampf gegen die Gran Turismo-Serie an. Eine ähnliche Absicht hatte ganz Gewiss Microsoft und veröffentlichte ebenfalls in diesem Monat Forza Motorsport für die Xbox. Nach allem Ehrgeiz, der direkt von Microsoft in diesen Prestige-Titel geflossen war, hat es schließlich auch nicht verwundert, dass die Sportwagen-Simulation auf der hauseigenen Konsole zu einem großen Hit avancierte.
PC-Spieler mussten auf SCAR - Squadra Corse Alfa Romeo warten (wir befinden uns übrigens immer noch im Mai), um sich auch mal wieder hinters Steuer von Sport- oder Tourenwägen klemmen zu dürfen. Ein Hoffnungsträger aus deutschen Landen war World Racing 2. Das Gütersloher Entwicklerteam Synetic machte seine Hausaufgaben und lieferte im September sein aufwändiges, gelungenes, aber leider nicht in allen Bereichen hundertprozentig überzeugendes Werk ab. Die Realismus-Freaks der PC-Gemeinde kamen schließlich im darauffolgenden Monat auf ihre Kosten, als SimBin GT Legends veröffentlichte. Und was sollte dabei schon großartig schiefgehen, schließlich hatten die Verantwortlichen schon mit GTR in der Wissenschaft Fahrphysik Rang und Namen erlangt. Pünktlich zum Ende des Jahres und zum Erscheinen der Xbox 360 lieferte Bizarre Creations Project Gotham Racing 3 und damit das erste Rennspiel für die sogenannten "Next Generation"-Konsolen ab.
Nachdem wir nun alle im Jahr 2005 veröffentlichten Sportwagen-Rennspiele durchgekaut haben, wollen wir auch noch auf die Zweirad-Fraktion zu sprechen kommen. Ja, auch diese ging in den letzten zwölf Monaten nicht leer aus! Nach dem im Juni für die PlayStation 2 erschienenen MotoGP 4 durften sich im September PC- und Xbox-Gamer an MotoGP 3: Ultimate Racing Technology erfreuen. "Moment", mögen jetzt einige Leser denken, "wie war die Reihenfolge"? Nun, das kommt dabei heraus, wenn man unterschiedliche Lizenzen an unterschiedliche Publisher vergibt, die unterschiedliche Spiele für unterschiedliche Plattformen entwickeln. Wer die Motorrad-Welt eher von ihrer rustikaleren Seite liebt, hat schließlich vielleicht noch ein Auge auf American Chopper geworfen. Vielleicht aber auch nicht, denn verpasst hat man beim offiziellen Spiel zur TV-Serie nicht viel.
Vive la Revolution!
Eine kleine Geschichte: Die ganze Rennspiele-Welt wird von der großen, mächtigen Publisher-Industrie regiert. Die ganze Rennspiele-Welt? Nein! Im US-amerikanischen Staate Michigan gibt es einen kleinen Ort names Ann Arbor, wo im Verborgenen an einer Revolution gearbeitet wurde. Geschehen ist dies seitens Image Space Inc., die für EA Sports in der Vergangenheit unter anderem die F1-Serie entwickelt hatten. Das Team hatte sich überraschend dazu entschlossen, seine Kooperation mit dem weltweit größten Publisher zu beenden und sein neues Rennspiele-Projekt auf eigene Faust an den Mann zu bringen. Das nach einer viel versprechenden Multiplayer-Demo mit vielen Vorschusslorbeeren gestartete rFactor konnte schließlich ab September ausschließlich über die offizielle Website erworben werden und dank realistischer und trotzdem überaus spaßbringender Fahrphysik sowie einem Augenmerk auf Multiplayer-Funktionalität hat sich schnell eine eingeschworene Fangemeinde um das Projekt gebildet. Und das soll erst der Anfang sein: Nach dem ersten, "SR Grand Prix" benannten Teil, sollen unter der rFactor-Marke noch viele weitere Veröffentlichungen folgen.
Und die Jungs von Image Space Inc. sind nicht allein, ja sie haben diese Strategie nicht einmal erfunden! Diese Ehre gebührt nämlich den drei Machern von Live for Speed aus dem "alten", pardon, neuen Europa (es handelt sich um England). Nachdem der erste Teil von LFS in der Rennsimulations- und Onlinegaming-Community bereits erfolgreich etabliert war, hat das kleine Entwicklerteam in diesem Jahr die mit Spannung erwartete zweite Version des Projekts veröffentlicht. Richtig, zu erwerben über das Internet – und zwar nur dort. Dass dieses Prinzip funktioniert und sich speziell für hochrealistische Simulationen mit einer weniger breit gefächerten Zielgruppe eignet wurde mit Live for Speed und rFactor im Jahr 2005 eindrucksvoll demonstriert.
Eine Standortbestimmung
Dieser Rückblick auf 2005 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für viele wäre sicherlich zum Beispiel auch GTA: San Andreas erwähnenswert – wenn nicht sogar berechtigter Weise der Hit des Jahres. Doch ähnlich wie bei einigen anderen actionlastigen Titeln lässt sich darüber streiten, inwiefern man das betreffende Game dem Rennspiele-Sektor zuschreiben kann. Unterschiedliche Spiele-Genres scheinen sich zunehmend zu vermischen. Dies erscheint in Anbetracht des Konkurrenzkampfs in der Computer- und Videospiele-Industrie unvermeidlich und im Grunde auch positiv. Doch es mag auch Leute geben, die an ihrem PC einfach mal wieder gerne eine stinknormale Formel 1-Simulation installieren würden (Was macht eigentlich Geoff Crammond zur Zeit?) und die in diesem Jahr vielleicht nicht ganz auf ihre Kosten gekommen sind. Wie dem auch sei, die Rennspiele-Welt hat uns 2005 mit ihrer Vielzahl an hochinteressanten Neuerscheinungen gezeigt, dass sie lebendiger und wandlungsfähiger denn je ist. Und über 600 ausführliche Artikel - darunter Previews, Testberichte, Interviews und Specials - auf SPEEDMANIACS.DE innerhalb von 12 Monaten sind ein hinreichender Beweis dafür. Danke fürs Lesen und für das fleißige Weiterempfehlen!
+ 24.12.2005 Markus Grießenböck
